Zwischen Himmel und Tee: Ein Tag im grünen Dach Nepals

Der Morgen in Bhaktapur

Der Morgen beginnt in Bhaktapur – früh, wie so oft auf dieser Reise. Nach einem einfachen Frühstück im Vajra Guesthouse geht es los, hinauf in die Berge. Die Luft ist noch klar, ein Hauch frischer als in den Gassen der Stadt, und die Straßen: mal glatt, dann wieder holprig, unterbrochen von Baustellen oder Erdrutschen. Nepal baut, Nepal lebt – auch dort, wo nur wenig Raum bleibt.

Ein Tempel über der Stadt

Unser erster Halt: ein hinduistischer Tempel auf einem Hügel über der Stadt. Die Sicht ist weit, der Klang der Glocken mischt sich mit den Stimmen der Vögel. Auch hier begegnet uns Kali – wieder einmal. Die Göttin scheint mich zu begleiten seit Pokhara. Ich werde gesegnet, ein kunstvoller roter Punkt ziert meine Stirn – nicht einfach ein Stempel, wie mein Vater scherzt, sondern ein stilles Ritual, das in mir nachklingt.

Der Weg zur Plantage

Dann beginnt der Aufstieg. Die Straße zur Teeplantage ist kaum mehr passierbar, zu schmal, zu steil, zu brüchig. Unser Fahrer bringt uns so weit wie möglich, dann geht es zu Fuß weiter. Der Weg windet sich durch ein ursprüngliches Stück Land – still, grün, lebendig. An einem kleinen Unterstand sitzen zwei Frauen – Brahmaninnen. Sie beginnen gerade, ihre wenigen Waren auszupacken: getrockneter Mangold, Mangosaft, Wasser in einfachen Eimern. Weit und breit ist niemand sonst zu sehen. Und doch sind sie da. Als warteten sie auf eine Fügung.

Wir setzen uns kurz, trinken Wasser, spüren die Stille – und wandern weiter.

Plötzlich war sie da

Nach einer Weile Fußweg, die Stille nur durch das Rascheln der Blätter und das leise Summen der Insekten unterbrochen, öffnete sich der Blick. Als hätte sich der Nebel gehoben, lag sie plötzlich vor uns: eine Teeplantage, die sich in sanften, rhythmischen Linien über die Hügel legte. Das satte Grün schimmerte im Licht, während der Blick weit über die Bergrücken reichte – bis zu den schneebedeckten Himalaya-Gipfeln gegenüber.

Die Everest Tea Estate

Was aussieht wie ein jahrhundertealtes Stück Land, das schon immer dem Tee gewidmet war, ist in Wahrheit eine vergleichsweise junge Pflanzung. Die Everest Tea Estate wurde erst 2013 gegründet – aus der Vision heraus, hochwertige Tees im ökologisch anspruchsvollen Klima Nepals zu kultivieren. Hier, auf rund 1.700 Metern Höhe, entstehen ganz besondere Teesorten: fein, duftig, mit Charakter. Einige der zartesten Schwarztees und golden schimmernden Tips stammen von genau diesen Hängen.

Ein Tempel im Grün

Und während wir durch das duftende Grün schritten, das sich spürbar in Höhenluft und Stille badete, ragte zwischen den Pflanzen ein kleiner Tempel hervor – gelb-orange, wie aus dem Nichts gewachsen. Er wirkte wie ein stiller Wächter über das Land, das die Menschen hier so hingebungsvoll pflegen.

Der Gruß des Tees

Wir wichen vom Hauptweg ab, gingen direkt durch die Teebüsche hindurch und bemerkten: Es sind verschiedene Kultivare. Die Pflanzung ist in Sektionen geteilt, jedes Feld hat seine eigene Farbe, sein eigenes Aroma. Ich zupfte ein frisches Blatt, kaute darauf, spürte die Bitterkeit, die Frische, die Tiefe – ein erster Gruß vom Tee selbst.

Die Rückkehr

Und wie so oft auf dieser Reise schien alles vorbereitet.

Als wir zurückkehrten – die Fabrik verlassen, der Weg mühsam – trafen wir wieder auf die Brahmaninnen. Doch nun waren sie nicht mehr allein. Motorräder standen vor dem Unterstand, Menschen redeten, lachten – und plötzlich war da Tee. Aus genau dieser Plantage. Schwarztee. Golden Tip. Verpackt in schlichte, unauffällige Tüten. Sie hatten ihn einfach dabei. Als hätte auch er auf uns gewartet.

Ein kleiner Teil davon wird in unserer Nepal-Tee-Box landen. Mitgebracht aus der Höhe, von Hand gepflückt, von mir selbst ausgesucht.

 

Der Weg über die Stille – hinauf zur Klosteranlage über den Wolken

Von der Plantage aus führte unser Weg weiter – nicht bergab, sondern über die Höhenzüge weiter hinauf. Noch immer waren wir weit oben, auf rund 1.700 Metern.

Die Steinstufen zu Beginn waren sorgfältig angelegt, der Pfad überdacht von alten Bäumen. Vögel sangen, der Wind bewegte das Laub, und zur linken Seite begleiteten uns kleine, weiße Aschehäufchen in Stupaform – kaum größer als zwei oder drei Zentimeter. Sorgfältig nebeneinandergestellt. Von Angehörigen hinterlassen, für ihre Verstorbenen.

Ein Mönch kam uns entgegen, in sich ruhend. Ein Blick, ein Nicken, ein stilles Verstehen.

Dann veränderte sich der Weg.

Ein Erdrutsch hatte ihn vor Jahren an mehreren Stellen zerstört. Die Stufen waren verschwunden, übrig blieb loser Sand, Geröll, bröckelnder Grund. Keine Absicherung, keine Umleitung. Wir mussten uns am Hang entlangtasten, konzentriert, achtsam – zur Rechten fiel das Gelände steil ins Tal.

Was als Spaziergang begann, wurde zur stillen Prüfung. Und doch – wir kamen an.

Ein Ort über der Welt

Die Klosteranlage empfing uns mit Weite. Mit Ehrfurcht. Mit Licht.

Ich nenne sie die Klosteranlage über den Wolken – denn so fühlte es sich an. Die Sicht war endlos, das Tal lag tief unter uns, und über allem thronte eine neu errichtete Stupa. Sie stand nicht einfach da – sie wachte.

Von dort oben sahen wir hinab auf die goldenen Dächer der Tempel, die glänzten wie Schuppen im Licht. Die Gebetsfahnen flatterten leise im Wind.

Und an der Kante der Klippe lag ein Hund. Ganz ruhig, schlafend, als wäre dies der normalste Ort der Welt.

Wir wanderten durch die Anlage, schweigend. Mönche kamen uns entgegen – junge, alte. Einige mit Lächeln. Andere ganz in sich.

Es war ein Moment, der blieb.

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