Ein Morgen im St. Olaf Golf Hotel
Der Tag beginnt im St. Olaf Golf Hotel in Cruden Bay – ein kleines, herzlich geführtes Haus mit Blick auf den Golfplatz und die Nordsee. Unser Zimmer war gemütlich, die Begrüßung warm – und das Frühstück ein kleines Fest: frisches Obst, knuspriges Brot, und vor allem unser erster Porridge in Schottland. Cremig, sättigend, wärmend – genau das Richtige, um in einen Tag voller Eindrücke zu starten.
Es ist fast schade, dass wir hier nur eine Nacht verbringen. Dieser Ort hätte mehr Zeit verdient. Doch unser Weg ruft, und gleich nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg – hinein in Geschichte und Legenden.

New Slains Castle – Dracula an der Nordsee
Wenige Minuten später erreichen wir die Ruinen von New Slains Castle, spektakulär auf einer Klippe über der Nordsee gelegen. Schon Bram Stoker ließ sich hier inspirieren, als er die düstere Atmosphäre für seinen Roman Dracula suchte.
Ein paar Fakten zu dieser Burg:
Errichtet um 1597 vom Earl of Erroll als Ersatz für Old Slains Castle.
Im 17. und 18. Jahrhundert mehrfach erweitert, zuletzt um eine prächtige Galerie.
Im 19. Jahrhundert im Scots-Baronial-Stil umgebaut.
Seit 1925 eine Ruine – das Dach wurde abgetragen, um Steuern zu sparen.
Heute stehen die Mauern offen im Wind. Wir gehen über eine kleine Brücke, treten vor die Überreste, und während die Wiesen voller Blüten stehen, bricht hinter den Mauern die raue Felsküste ab. Es ist nicht die Burg selbst, die uns beeindruckt, sondern ihre Lage: majestätisch, wild, dramatisch. Ein perfekter Ort, an dem sich Geschichte und Natur umarmen.
Gedanken im Auto – auf dem Weg nach Culloden
Die Straße führt uns weiter Richtung Inverness. Wir fahren durch kleine Dörfer, sehen Schafe und Highland-Kühe, Sonne und Regen wechseln im Minutentakt. Genug Zeit, um über die Geschichte nachzudenken, die uns bald erwartet: Culloden Battlefield.
Wir sprechen über Charles Edward Stuart, besser bekannt als Bonnie Prince Charles. Gerade einmal 25 Jahre alt, Sohn des exilierten James Stuart, kam er nach Schottland, um die Stuart-Monarchie zurückzuerobern. Mit Perücke, Ehrgeiz – aber ohne militärische Erfahrung.
Und doch folgten ihm Tausende. Anfangs gab es sogar Siege, die Hoffnung weckten. Doch in Culloden befahl er, erschöpften Männern auf sumpfigem Boden einen Frontalangriff gegen die überlegene englische Armee. Ein Befehl, der für viele das Todesurteil bedeutete.
Im Auto stellen wir uns die Frage:
Wie konnte es geschehen, dass eine ganze Armee von Highlandern einem 25-jährigen Prinzen folgte?
Unsere Antwort: Sie folgten nicht ihm als Person. Sie folgten dem Symbol, das er verkörperte – der Hoffnung auf ein freies Schottland.
Doch das Symbol brach. In weniger als einer Stunde starben rund 1.500 Jakobiten. Charles floh nach Frankreich – und wurde dort als Held gefeiert. Ein Gedanke, der uns fassungslos zurücklässt.



Culloden Battlefield – Ehre, Symbol und Tragödie
Wir erreichen das Visitor Centre. Für mich persönlich ist es ein besonderer Moment: Vor Jahren kaufte ich hier eine Kette mit den Standing Stones und einem Mondstein. Sie wurde mir bei einem Einbruch gestohlen – und nun, heute, kann ich sie erneut erwerben. Ein Stück Geschichte und ein persönlicher Anker, zurückgekehrt.
Im kleinen Museum sehen wir Kleidung, Waffen, Musketen – Geschichte zum Anfassen. Doch was uns wirklich bewegt: der Kontrast. Ein junger Prinz, unerfahren, voller Stolz, führt Männer ins Verderben. Und in Frankreich wird er später als Held gefeiert.
Als wir hinaus auf das Schlachtfeld treten, sehen wir die Markierungen: blaue Fahnen für die Jakobiten, rote Fahnen für die englische Armee. Alles ist still. Ein Ort, der mehr erzählt, als jedes Buch es könnte.
Und dann fällt mir der Satz unseres Guides in Edinburgh ein:
„Charles mag für England ein König gewesen sein – aber er ist nicht mein König.“
Dieser Satz hat mich tief berührt. Er zeigt, dass die Freiheitsliebe in Schottland bis heute lebendig ist.
Der mystische Abschluss am Loch Ness
Von Culloden fahren wir weiter zum sagenumwobenen Loch Ness. Der See liegt dunkel, weit und geheimnisvoll vor uns. Still und gleichzeitig kraftvoll, fast so, als würde er selbst atmen. Kein Wunder, dass sich hier die Legende vom Loch Ness Monster hält.
Für mich ist es nicht nur eine Legende. Der See hat eine Aura, die schwer zu beschreiben ist – majestätisch, anziehend, beinahe unheimlich. Und doch wunderschön.
So endet dieser Tag: zwischen der Schwere der Geschichte und der Magie der Natur.
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Fazit
Dieser vierte Tag unseres Roadtrips zeigt, warum Schottland so faszinierend ist:
Ruinen wie Slains Castle, die Literatur inspirierten.
Schlachtfelder wie Culloden, die Fragen nach Ehre und Freiheit aufwerfen.
Und Orte wie Loch Ness, die uns an die Kraft von Mythen erinnern.
Es ist ein Land, das Geschichte und Gegenwart, Schmerz und Schönheit, Freiheit und Mystik miteinander verwebt.

