Der Morgen in Oban beginnt still. Unser kleines Hotel hat keine Küche, also bereiten wir uns selbst ein Frühstück zu. Nichts Besonderes, und doch so kostbar: Tee dampft im Becher, Brot und Früchte auf dem Teller. Hinter dem Fenster liegt das Meer, und die Sonne schiebt sich zögerlich durch die Wolken, die die Nacht hindurch Regen gebracht haben. Die Stadt erwacht, und wir mit ihr.
Wir bummeln ein wenig durch die Gassen von Oban, schauen in kleine Läden hinein, lassen uns von Seifen, Schokolade und Souvenirs verführen. Kaufen tun wir fast nichts, aber das Schauen, das Schlendern, das Dasein – das ist schon genug.

Fort William – Tor zu den Highlands
Unsere Reise führt uns nach Fort William, einer lebendigen Stadt am Fuße des Ben Nevis, dem höchsten Berg Großbritanniens. Eigentlich wollten wir mit der Seilbahn hinauffahren, doch die Zeit ist knapp und Regenwolken hängen bereits schwer über den Gipfeln. Also lassen wir es und schlendern stattdessen durch die Straßen.
In einem Pub essen wir eine überraschend gute Pizza – ein wenig untypisch für Schottland, und doch genau das Richtige für diesen Moment. Von hier geht es weiter, tiefer hinein in die Highlands.



Die Three Sisters – Begegnung mit der Seele der Highlands
Dann stehen sie plötzlich vor uns: die Three Sisters von Glencoe. Drei mächtige Bergrücken, die in ihrer Wucht und Schönheit kaum zu beschreiben sind. Am Aussichtspunkt ist es voll, Stimmen aus aller Welt füllen die Luft, zu laut, zu viel. Doch der Blick – dieser Blick – übertrifft alles. Gewaltig. Ruhig. Zeitlos.
Wir fassen den Entschluss, ein Stück zu wandern. Der Weg führt uns hinunter ins Tal, wo ein Fluss wild und unbändig rauscht. Von dort steigen wir einen kleinen Pfad hinauf. Mit jedem Schritt wird es stiller. Die Stimmen verschwinden, und es bleibt nur die Natur.
Die Sonne bricht hinter den Bergen hervor und taucht das Heidekraut in leuchtendes Rot. Aus den Hängen tropft Wasser, als würden kleine Rinnsale unseren Weg begleiten. Wir steigen höher, bis wir einen kleinen Platz finden, wo ich innehalte – und Tee koche.
Ein Tee in den Highlands.
Zwischen diesen Bergen, die uralt sind und doch so präsent wirken, spüre ich, wie klein ich bin. Und zugleich, wie getragen. Die Highlands urteilen nicht. Sie sind einfach da. Frei, weit, unerschütterlich.
Es ist schwer, Worte zu finden. Dieser Moment war für mich wie ein Ankommen. Nicht im Äußeren – sondern tief in mir. Ich spürte Freude, hier sein zu dürfen. Dankbarkeit, dass ich inmitten dieser Natur sitzen, atmen, Tee trinken darf. Und zugleich Wehmut, weil ich wusste: Schon morgen endet diese Reise.
Ich wünschte, ich könnte länger bleiben. Eine Hütte irgendwo, mit einem Wasserfall im Rücken, ein Fluss vor der Tür – und einfach nur sein. Nicht funktionieren müssen. Nicht leisten müssen. Nur sein.
Wenn die Wolken die Berge einhüllen
Während wir dort saßen, zogen langsam die Wolken heran. Wie weiße Wattebällchen legten sie sich um die Gipfel, machten die scharfen Konturen weich und ließen die Highlands wirken, als hätte jemand die Welt neu gezeichnet.
Der Kontrast war faszinierend: unten das klare, harte Gestein – oben weich umhüllt von Nebel. Ein Schauspiel der Natur, das uns einmal mehr zeigte, wie lebendig diese Berge sind.
Schließlich brachen wir auf. Mit einem letzten Blick auf die Three Sisters fuhren wir zurück nach Oban.
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Abend in Oban – Ein stiller Abschluss
Zurück in der Hafenstadt ließen wir den Tag ausklingen. Die Sonne war bereits verschwunden, die Luft roch nach Salz und Meer. Wir gingen noch einmal am Ufer entlang, setzten uns in ein kleines Lokal, aßen zu Abend und blickten hinaus auf das Wasser.
Ein stiller Abend. Ein stiller Abschied.
Die Highlands bleiben – in der Landschaft, in den Bildern, in meinem Herzen.

